Blom Philipp: Die zerrissenen Jahre - Rassentrennung

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ad Rassentrennung

"Die konservative Revolution und der von ihr postulierte zivilisatorische Machtkampf auf Basis von Blut und Rasse wurden nicht nur in Europa gepredigt. 1919 ereigneten sich die schlimmsten sozialen Unruhen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen nicht in Europa, sondern in den Vereinigten Staaten. (67)

"In den USA drehten sich diese Debatten [Anm: um den "wissenschaftlichen Rassismus"] trotz der anhaltenden Diskriminierung von Juden und Katholiken mehrheitlich nicht um Religion oder um alte europäische Probleme. Stattdessen spukte die Erbsünde des Landes noch immer durch die Gegenwart: ein hehrer Traum, der auf der Sklaverei und der Abschlachtung der Ureinwohner beruhte." (68)

Im ersten Weltkrieg wurden erstmals schwarze Soldaten rekrutiert, sie kamen getrennt von den Weißen in eine eigenes Infanterieregiment, die "Harlem Hellfighters". Am Neujahrstag 1918 landeten sie in Frankreich. "Der Einzug eines schwarzen Regiments, dessen Kapelle aus hervorragenden Musikern bestand und Jazz spielte, versetzte die französische Hafenstadt und das ganze Land in helle Aufregung. [...] Zwischen Februar und März 1918 ging die Band auf Tour und legte für Konzerte in fünfundzwanzig Städten innerhalb von Frankreich mehr als 3.000 Kilometer zurück. Auf diese Konzerten kam es oft zu emotionalen Szenen." Viele Mitglieder des schwarzen Regiments, die nicht musizierten, sondern an der Front kämpften, wurden hoch dekoriert. Zurück in den USA "kam das böse Erwachen. Im zivilen Leben waren die 'Hellfighters' wieder Bürger zweiter Klasse, die im segregierten Süden offen und im Norden weniger offen diskriminiert wurden. Der Ku-Klux-Klan gewann Tausende von neuen Mitgliedern, Lynchmorde häuften sich [...] Die Mitgliedschaft im Klan war in Amerika geborenen weißen Protestanten vorbehalten, und obwohl sich ihre Feindschaft vor allem gegen Schwarze richtete, griffen sie auch andere 'unamerikanische' Menschen an wie zum Beispiel Juden, Katholiken und 'Sozialisten' [...] Auch die Gewerkschaften sahen es nicht als ihre Rolle zu vermitteln, sondern schürten die Spannungen weiter. (68 ff)

"'Der Grundlegende Faktor der Geschichte ist nicht die Politik, sondern die Rasse', schrieb der amerikanische Historiker Lothrop Stoddard 1921 in seinem erfolgreichen Buch The Rising Tide of Color. [...] Stoddard konstatierte, dass die edlen 'nordischen Rassen' von einem Strom von Afrikanern, Asiaten, 'Mischlingen' und 'affenähnlichen Aborigines' überwältigt würden, der unweigerlich die Reinheit der weißen Rasse zerstören werde." (74)

Anlässlich der Ankündigung eines Auftritts von Josephine Baker im Februar 1928 in Wien schrieb das Wiener Tagblatt: "Literatur und Kunst, Tanz und Geselligkeit sind schwarze Künste geworden, die Vernegerung die letzte Tiefenentwicklung des Europäers. Die Kakophonien der Jazzband spielen zum Totentanz der europäischen Kultur auf..." (285)