Kahr Elke: Es geht auch anders

1986 hat Elke Kahr mit Straßenarbeit für die KPÖ begonnen, 35 Jahre später, 2021, wurde sie Bürgermeisterin der Stadt Graz. Damit hat sie alle, die Österreichs Realpolitik der vergangenen 35 Jahre für "alternativlos" gehalten haben, Lügen gestraft und die Machbarkeit des "Undenkbaren" unter Beweis gestellt. Graz und die (Grazer) KPÖ sind Inhalt von Elkes Leben. Darüber erzählt sie im vorliegenden Buch mit dem Titel "Es geht auch anders", das auf Interviews mit Silvia Jelincic (Gründerin von fischundfleisch.com - Portal für Meinungsfreiheit) basiert.

Seit die KPÖ auch bei den Salzburger Landtagswahlen überraschend hoch gewonnen hat, schrillen die Alarmsirenen insbesondere bei Leuten wie dem neoliberalen "Denkfabrikanten" Franz Schellhorn (Gründer der vorwiegend von der Industriellenvereinigung finanzierten "Denkfabrik Agenda Austria"). Wenn Elke K und Franz S in einer direkten persönlichen Konfrontation aufeinander treffen würden (vielleicht eine Idee für ein weiteres Buch der edition a), dann würde Elke das Match "Sympathie" 10:0 gewinnen. Wenn man verfolgt wie oberflächlich und gleichzeitig untergriffig der Denkfabrikant nun von allen Dächern zwitschert, dass Kommunismus immer noch pfui ist (siehe Schellhorn daily), dann kann man sich leicht ausrechnen, dass die Grazer Bürgermeisterin auch in der Kategorie "Kompetenz" die meisten Punkte machen würde.

Elke Kahr 2023 05 01

Foto: 1. Mai 2023 Kundgebung der KPÖ in Graz

"Ich sage was ich denke und ich tue was ich sage", war der Slogan eines Präsidentschaftskandidaten 2022. "Die Übereinstimmung von Wort und Tat ist für uns weiterhin die Essenz dessen, was Erfolg in der Politik ausmacht, egal ob es um europäische, nationale oder kommunale Politik geht", sagt Elke Kahr. Es ist unmöglich, diese Aussage in Bezug auf die kommunale Politik zu widerlegen. In den vergangenen 20 Jahren mit KPÖ-Wohnbaustadträten hat die Bevölkerung von Graz von 226.000 auf 291.000 zugenommen, während sie in den Jahren 1981-2001 von 243.000 auf 226.000 gesunken ist. Schon in den 1970er Jahren (unter dem damaligen FPÖ-Bürgermeister Alexander Götz) sind 6.000 Grazer abgewandert.

Die Übereinstimmung von Worten und Taten geht bei der KPÖ Graz so weit, dass man - dialektisch betrachtet - darin fast schon eine Negation all der Ziele erkennen kann, die sich die Kommunisten der "Internationale" gesteckt haben. Das Bekenntnis, "Josef Stalin hat viele Verbrechen zu verantworten. [...] Dass die KPÖ dazu geschwiegen hat, hat sicher nicht dazu beigetragen, ihr Ansehen in Österreich zu stärken. Wir hätten viel früher deutliche Worte finden müssen", ist geeignet, die persönlichen Sympathiewerte für Elke weiter zu festigen.

Eine ähnliche Aussage zeigt aber, dass die KPÖ ihre eigene Geschichte noch nicht aufgearbeitet hat.: "Die KPÖ galt seit den 1950er Jahren als verlängerter Arm Moskaus. Für viele stand aber das Engagement für Frieden im Mittelpunkt. Bei den riesigen Friedensdemonstrationen waren wir immer aktiv." Fakt ist, dass die KPÖ der 1950er Jahre nicht als verlängerter Arm Moskaus "galt", sondern dass sie es war - mit beträchtlichen wirtschaftlichen Vorteilen für die damalige Partei, insbesondere die Parteispitze. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion.

Nun ist die Aufarbeitung dieser Geschichte sicher nicht nur die Aufgabe der KPÖ Graz, aber - dialektisch betrachtet - müsste sie in diesem Prozess die ideologische Führung übernehmen. Denn Aufarbeitung der KPÖ-Vergangenheit bedeutet nicht nur Distanzierung vom Diktator Stalin, sondern auch die kritische Auseinandersetzung mit Schlüsselbegriffen des Kommunismus: Arbeiterklasse, Klassenkampf, Weltrevolution, Diktatur des Proletariats uvm. (vielleicht eine Idee für ein weiteres Buch der edition a). Fragen, die die KPÖ nun in kürzester Zeit beantworten muss, wenn sie demnächst als Kommunistische Partei Österreichs in den Nationalrat einziehen will, denn als "Kommunale Partei Österreichs" wird sie auf Bundesebene weiterhin unter der Vierprozent-Hürde bleiben.

Elke Kahr im Gespräch mit Silvia Jelincic

Es geht auch anders

Wien 2023, edition a

Ergänzung 2. Juni 2023: Warum die KPÖ nie ins Parlament kommen wird