+ Beteiligungs GmbH hielt sich bei Investitionen nicht an eigene Auswahlkriterien
+ Die GmbH beteiligte sich in der Hälfte der Fälle nicht an Wiener Traditionsunternehmen
22. August 2025 – (Presseinformation vom Rechnungshof Österreich) Durch die COVID-19-Pandemie gerieten viele Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten. In der Bundeshauptstadt wollte man Wiener Unternehmen mit einem Modell zur Selbsthilfe finanziell unterstützen. Dafür entwickelten die Stadt Wien und die Wirtschaftskammer Wien gemeinsam mit Expertise aus dem Bankensektor und Wirtschaftsprüfungsunternehmen die „Stolz auf Wien“ Beteiligungs GmbH (SaW). Doch das Interesse an dem Modell war weit weniger groß als erwartet und an manchen Unternehmen beteiligte sich die SaW, obwohl diese nur teilweise den eigenen Auswahlkriterien entsprachen, wie der Rechnungshof in seinem heute veröffentlichten Bericht „,Stolz auf Wien‘ Beteiligungs GmbH“ feststellt. Außerdem verweist er darin auf den intransparenten Entscheidungsprozess aufgrund fehlender Protokolle. Zudem empfiehlt er, die Beteiligungsdauern flexibel zu gestalten. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2020 bis 2022.
Öffentliche Gesellschafter und private Investoren
Die „Stolz auf Wien“ Beteiligungs GmbH (SaW) wurde 2020 gegründet, um sich zeitlich befristet an Wiener Unternehmen, die durch die COVID-19-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren, zu beteiligen. Gesellschafter der SaW sind die Wien Holding GmbH mit 80 Prozent und die Wirtschaftskammer Wien mit 20 Prozent. Außerdem beteiligten sich Kreditinstitute und andere private Investoren als stille Gesellschafter an der SaW.
Der Rechnungshof sieht hierbei einen potenziellen Interessenkonflikt: Während die öffentlichen Eigentümer vor allem daran interessiert waren, Unternehmen mit dringendem Unterstützungsbedarf zu fördern, waren für die privaten Investoren die am Kapitalmarkt orientierten erwarteten Gewinne vorrangig.
Geringe Nachfrage an Beteiligungsmodell
Trotz zweimaliger Verlängerung der Investitionsphase fanden sich weniger Unternehmen als erwartet, die an diesem Beteiligungsmodell interessiert waren. Insgesamt meldeten sich 162 Unternehmen bei der SaW – davon kamen 30 Beteiligungen zustande.
So wurden von den 38,75 Millionen Euro, die für Beteiligungen verfügbar gewesen wären, bis Ende Mai 2023 28 Millionen Euro von der SaW abgerufen. Auch weitere erleichterte Bedingungen für die Unternehmen halfen nicht, mehr Interessenten für Beteiligungen zu finden. Aus Sicht des Rechnungshofes lag dies auch daran, dass die Investitionsbedingungen für viele Unternehmen wenig attraktiv waren. Dies beruhte auch auf den zahlreichen anderen COVID-19-Förderungen, die zum Gründungszeitpunkt der SaW noch nicht existierten.
Außerdem kam eine Beteiligung Dritter für viele Unternehmen nicht infrage, weil sie nicht bereit waren, Eigentümerrechte abzutreten beziehungsweise umfangreiche Einsichtsrechte zu gewähren. Der Rechnungshof empfiehlt der Wien Holding GmbH daher, bei künftigen Unterstützungsmaßnahmen zeitgerecht Bedarfserhebungen bei Unternehmen durchzuführen.
Von den 30 Beteiligungen der SaW waren bis Anfang November 2023 drei Unternehmen in Konkurs gegangen; bei drei weiteren Unternehmen waren Sanierungsverfahren anhängig. Die drei Konkurse erforderten eine Wertberichtigung von annähernd drei Millionen Euro.
Auswahlkriterien nicht eingehalten
Die – unbedingt zu erfüllenden – Auswahlkriterien für eine SaW-Beteiligung waren: Standort und Geschäftstätigkeit in Wien, mehr als 75 Prozent der Anteile in der Hand von Personen mit EU-Staatsbürgerschaft beziehungsweise von Gesellschaften mit Sitz in der EU sowie kein eröffnetes Insolvenzverfahren beziehungsweise keine Voraussetzungen für ein Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt der Beantragung der Beteiligung durch die SaW.
Die Prüferinnen und Prüfer stellten fest, dass die SaW beispielsweise eine Million Euro in ein Unternehmen investierte, das bereits vor der COVID-19-Pandemie wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte. Auch bei weiteren Unternehmen stellte der Rechnungshof fest, dass die SaW Beteiligungen nur deshalb eingehen konnte, weil sie ihre selbst aufgestellten Auswahlkriterien weit auslegte beziehungsweise nur zum Teil anwandte. Die SaW beteiligte sich in der Hälfte der Fälle nicht an Wiener Traditionsunternehmen, sondern an Start-ups beziehungsweise Unternehmen, die zur Vertragsunterzeichnung weniger als zehn Jahre alt waren – dabei war eine starke „Wiener Identität“ im Kriterienkatalog festgehalten.
Drei Unternehmen hatten ihren Standort und die Geschäftstätigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in Wien oder erst kurz zuvor nach Wien verlegt. Rund ein Drittel der Unternehmen hatte weniger als zehn Beschäftigte – laut Kriterienkatalog sollten es zwischen zehn und 250 Beschäftigte sein.
Mehrere Unternehmen hatten nicht nur einen kurzfristigen Finanzmittelbedarf, sondern derartige wirtschaftliche Probleme, dass sie bereits vor Vertragsunterzeichnung ein Sanierungsverfahren beantragt hatten beziehungsweise kurz nach Vertragsunterfertigung ein Sanierungsverfahren beantragen oder Konkurs anmelden mussten.
Intransparenter Entscheidungsprozess
Den Entscheidungsprozess wie das Investitionskapital verwendet wird, erachtete der Rechnungshof als intransparent, da die Protokolle zu den informellen Investorenversammlungen fehlten. Er empfiehlt der Wien Holding GmbH, bei ihren Mehrheitsbeteiligungen darauf zu achten, diese ebenso in den Stimmrechten der einzelnen Gremien zu verankern. Weiters empfahl er der SaW, informelle Investorenversammlungen zu protokollieren, um die Entscheidungsfindung nachvollziehbar zu gestalten. Diese Empfehlung hat die Beteiligungs GmbH seit dem dritten Quartal 2023 umgesetzt.
Beteiligungsdauern flexibel gestalten
In der Investitionsvereinbarung der SaW war festgelegt, dass die Beteiligungen auf maximal sieben Jahre eingegangen werden konnten. Die Beteiligungen waren regulär spätestens im Laufe des Jahres 2028 beziehungsweise Ende 2028 abzuschichten. Nur jene Beteiligungen, die bereits 2020 eingegangen wurden, waren bis Ende 2027 abzuschichten.
Nur in den vertraglich vereinbarten Ausnahmefällen konnte die SaW eine Beteiligung vor der vereinbarten Laufzeit veräußern und daher ihre Beteiligungen nicht aktiv steuern. Stattdessen musste sie darauf vertrauen, dass sich mit der konjunkturellen Entwicklung auch der Wert ihres Portfolios bis 2027/28 positiv entfalten und erhöhen würde. Im Gegensatz dazu hatten die Beteiligungsunternehmen jederzeit die Möglichkeit, das Beteiligungsverhältnis zu beenden und einen für sie günstige Zeitpunkt zu wählen, um ihre Anteile zurückzukaufen. Im überprüften Zeitraum entstand für die SaW aus zwei vorzeitigen Abschichtungen ein Verlust von bis zu 455.000 Euro.
Für künftige Gründungen einer ähnlichen Beteiligungsgesellschaft empfiehlt der Rechnungshof der Wien Holding GmbH, die Beteiligungsdauern flexibel zu gestalten und nach Abschichtung der letzten Beteiligung die Gesellschaft wieder aufzulösen.
Der Rechnungshofbericht als PDF