Simmel J.M.: Im Frühling singt zum letztenmal die Lerche

Dezember 2023 - Nur ein vom Erfolg verwöhnter Schriftsteller kann sich erlauben, seinen Lesern 100 Seiten lang zu erzählen, warum er keinen neuen Roman mehr schreiben wolle, und schon gar nicht über den Untergang der Welt aufgrund der Umweltzerstörung und der Klimakatastrophe. Die Begründung in einem Satz: "Es ekelt mich an, daß jene, die über unser Schicksal bestimmen, über das Schicksal dieser Welt, so ungeheuer offen korrupt geworden sind." (79) Mit einem Wort: Resignation.

Lerche im Muell

Doch nebenbei liefern die ersten 100 Seiten - sozusagen als Expose - das komplette Repertoire der Klima-Katastrophen-Argumente aus Sicht des Jahres 1988. So ist "Im Frühling.singt zum letztenmal die Lerche" 35 Jahre später aktueller denn je. Historisch höchst interessant, wie Ende der 1980er Jahre all jene Argumente von kritischen Menschen vorgetragen wurden, die heute nicht nur Mainstream sind, sondern von den herrschenden Politikern zur allein gültigen Doktrin erhoben wurden.

ZITATE: 

"Es ist hauptsächlich Kohlendioxid, mit dem wir Luft und Atmosphäre derart vergiften, daß es in vierzig bis sechzig Jahren zur endgültigen Weltkatastrophe, zum Ende der Welt kommen wird." (26)

"In den nächsten dreißig bis vierzig Jahren droht ein mittlerer globaler Temperaturanstieg zwischen eins Komma fünf und sechs Grad Celsius - ... in polaren Breiten sogar um acht bis zehn Grad ... " (32) "Wenn in den nächsten zehn Jahren die Erwärmung der Erdatmosphäre nicht zu stoppen ist, müssen wir mit einem Abschmelzen der polaren Eiskappen und einer Erhöhung des Meeresspiegels um einen Meter rechnen." (286)

"Dieser Treibhauseffekt wird noch verstärkt durch die rasante und absolut gewissenlose Abholzung der tropischen Regenwälder, sowie durch das Waldsterben und die Bodenvernichtung..." (33) "Über die Hälfte aller tropischen Regenwälder ist bereits zerstört oder irreversibel geschädigt. ... der größte je von Menschenhand praktizierte Ökozid." (169)

"Es gibt einen einzigen Weg, den drohenden Klimaschock abzuwenden: Wir müssen die umweltfreundliche Kernenergie noch viel, viel intensiver nützen!" (25)

"Nichts wäre verantwortungsloser, als das eine Risiko - die drohende Klimakatastrophe - mit einem anderen Risiko - der Gefahr eines Super-GAUs - erhöhen zu wollen." (27)

Spätestens seit Verabschiedung des Green-Deal sind diese Argumente und Bedrohungsszenarien zu einer totalitären EU-Doktrin geworden; und seit Ablösung der Corona-Ideologie zum Dauerbrenner der gleichgeschalteten Massenmedien, die sich nicht entblöden, Schlagzeilen wie "Weltweit heißester Sommer seit 125.000 Jahren" zu produzieren.

Weitere Aspekte der Umweltzerstörung, die J.M. Simmel in seinem Klima- und Umwelt-Roman behandelt, sind Dioxin, FCKW, Paradichlorbenzol, Ozonloch, Algenteppich, Waldsterben, Müllverbrennungsanlagen und Abfallschiebereien, Mikroplastik in der Nahrungskette und nicht zuletzt die Notwendigkeit von Energiesparmaßnahmen. Das Problembewusstsein von J.M. Simmel ist deutlich tiefer und breiter als das der meisten Wissenschafter von heute.

Alle diese Themen werden aus dem ideologisch verengten Klima-Diskurs des Jahres 2023 weitgehend ausgeklammert. Insbesondere das Thema Energiesparen fehlt völlig in so gewichtigen Studien wie "Klimaneutrales Deutschland" (2021). Zwei Jahre, bevor die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgedreht wurden, hat diese Studie in Deutschland einen Stromverbrauch von 488 TWh erhoben (davon kamen 61 TWh aus Atomstrom). Für 2050 kalkulieren die Studienautoren in Deutschland mit einem Stromverbrauch 960 TWh. Woher dieser Strom in den kommenden zwei Jahrzehnten kommen soll, nachdem auch die Abschaltung von Gas- und Kohlekraftwerken am Programm stehen, wird nicht erklärt. Auch Potenziale der Einsparung werden nicht erörtert.

1991, ein Jahr nach Erscheinen des Romans von J.M. Simmel wurde in Deutschland das Stromeinspeisungsgesetz erlassen. Mit diesem Vorläufer des EEG (Erneuerbares Energie Gesetz, erlassen 2000 und seither ein Dutzend mal erneuert) wurde erstmals das Strommonopol aufgeweicht. J.M. Simmel erinnert daran, dass das Strommonopol auf dem "Gesetz zur Wehrhaftmachung der deutschen Energieversorgung" aus 1935 basiert. "Den Krieg verloren wir 1945. Hitler brachte sich um. Aber das Gesetz von 1935, das Gesetz, das den Großen das Recht gibt, Strom zu erzeugen und zu verkaufen, ganz wie es ihnen gefällt, dieses Gesetz gilt in seiner Struktur noch heute! ... Dieses Stromdiktat stellt ein einmaliges Phänomen der westlichen Welt dar." (329)

(Vorsicht, Verschwörungstheorie!) Folgt man der Logik des Kapitals, so muss man davon ausgehen, dass in der gesamten Nachkriegszeit Überkapazitäten auf dem deutschen Strommarkt herrschten. Umso mehr verwundert es, dass das Thema Energiesparen im Energiewende-Diskurs heute kaum vorkommt. Ganz im Gegenteil: die Digitalisierung und Internet 4.0 sind seit der Jahrtausendwende neue Treiber für zusätzlichen Stromerbrauch. Die Energiewende selbst ist derzeit der stärkste Treiber des Stromverbrauches, da ja Strom alle fossilen Energiequellen ersetzen soll.

Aus Sicht des Jahres 2023 liegt der Verdacht nahe , dass die Strommonopolisten über alle EEG-Novellen hinweg niemals das Steuer aus der Hand gegeben haben. Nicht nur, dass die Monopolisten bei Einstellung jedes Kohleabbaus und bei Abschaltung jedes Kenkraftwerks Milliarden als "Wiedergutmachung" (in dem Fall unter dem Titel "Abwrackprämie") kassierten und weiterhin kassieren! Sie steuern und kontrollieren mit den Netzen auch weiterhin das Nervenzentrum des Systems. So ist ihnen der totale Anschluss gelungen: auch die kleinste Photovoltaik-Anlage muss an das Stromnetz angeschlossen werden. Forschung, wie man energie-autarke Einheiten auf möglichst kleinem Raum (Wohnhaus, Siedlung, Krätzel) einrichtet, ist ausgeblieben. Entsprechende Konzepte und Projekte fehlen bis heute.

J.M. Simmel stellt 1988 die visionäre Frage: "Sonnenenergie? Ja! Die einzige Art von Energie für die Zukunft - wenn's eine solche noch geben soll." (125) Aber nur mit uns - so die geheime Agenda der Monopolisten offenbar schon damals. Im Roman erklärt der Erfinder und Unternehmer Wolf Loder wie die solare Zukunft aussehen könnte. Aus Sicht der 1980er Jahre waren das groß dimensionierte Solarkraftwerke: "Wenn man von einem großen Sonnenspiegel die Strahlen gebündelt auf ein Ende der Stirlingmotorröhre lenkt, dann erhitzt man diese. Und wenn man das andere Ende kühlt, bekommt man elektrische Energie direkt, ohne jeden Umweg, aus Sonnenenergie. Sogar ohne Wasserstoff" (386). Auch Sonnenkraftwerke zur Erzeugung von Wasserstoff, die auch in der Nacht Strom liefern können, hat Loder schon geplant, unter der optimistischen Annahme: "Und das Ganze funktioniert praktisch ohne Energieverlust." (394)

Grundlage dieser Entwicklungen ist folgendes Kalkül: "Die Sonnenenergie, die auf die Erde trifft, könnte theoretisch fünfzehntausendmal den menschlichen Bedarf an Primärenergie decken. ... Die fossilen Geschenke aus urweltlicher Zeit werden bald aufgezehrt sein, das Erdöl schon in dreißig Jahren. ... Bevor das geschieht, muß die Menschheit allerdings schnellstens mit ihrem Energieverbrauch runter, radikal runter." (325 f)

Der Energieverbrauch 2023 ist höher als je zuvor. Sowohl weltweit als auch im Energiewendewunderland Deutschland. Das Solarzeitalter hat aber tatsächlich pünktlich zur Jahrtausendwende begonnen - bescheiden mit einer Jahresproduktion von 0,06 TWh. Zwei Jahrzehnte später waren es bereits 51,4 TWh (10,4 % der Gesamtenergie). Zum 30. Juni 2023 waren PV-Module mit einer Nennleistung von 73,8 GW installiert, verteilt auf 3,14 Mio. Anlagen (alle Angaben für Deutschland aus wikipedia). 3,14 Millionen Photovoltaik-Anlagen mit dezentralen Energiespeichern implizieren das Potenzial von 3,14 Millionen energieautarken, souveränen Einheiten, die vollkommen unabhängig von den Monopolkräften in Politik und Wirtschaft existieren könnten - wenn diese so eine basisdemokratische Entwicklung gewollt hätten. Das wollten die entscheidenden Mächte in Politik und Wirtschaft - welche immer das sein mögen - aber offenbar nicht. (Ende der Verschwörungstheorie!)

Zurück zum Roman: Wie immer hat J.M. Simmel als ehemaliger Journalist für seinen Roman akribisch recherchiert und über 40 Quellen ausführlich zitiert. Aber natürlich ist das Buch nicht nur ein Zeitdokument, sondern auch ein Thriller mit Anschlägen, Morden, mutmaßlich illegalen Machenschaften der Industrie, Einflussnahmen der Geheimdienste und einer Entführung. Der Autor steigert von Kapitel zu Kapitel mit Perspektiven- und Zeitwechseln die Spannung und endet auf Seit 590 mit der Fußnote 44. über einen "Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über eine mögliche Beteiligung deutscher Firmen an einer C-Waffen-Produktion in Libyen (Drucksache 11/3995 vo 15. Feburar 1989). Dieser Bericht veranlaßte den SPD-Bundestagsabgeordneten orbert Gansel, dem damaligen Chef des Bundeskanzleramts. Dr. Schäuble mit Schreiben vom 22. Februar 1989 eine Reihe von Frage zu stellen.

(Am 25. Dezember 2023 ist Wolfgang Schäuble im Alter von 81 Jahren gestorben, siehe morgenpost.de)