Attac fordert: Energiecasino schließen!

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8. September 2022 - Anlässlich des morgigen EU-Energie-Gipfels fordert das globalisierungskritische Netzwerk die EU-Regierungen auf, das derzeitige Energiecasino zu schließen und die gescheiterte Liberalisierung der Energiemärkte mittelfristig zu beenden. „Die EU-Liberalisierung hat Energie den hochspekulativen und krisenanfälligen Finanzmärkten ausgeliefert. Energieversorgung ist Teil unserer Daseinsvorsorge. Wir dürfen sie nicht weiter dem Profitstreben von Konzernen und Finanzspekulanten unterwerfen“, erklärt Iris Frey von Attac Österreich.

Als Sofortmaßnahme fordert Attac den Preis fossiler Energie von erneuerbarer Energie zu entkoppeln und die Preise zu regulieren. Auch der Börsen-Handel für Marktakteure, die nichts mit dem physischen Grundgeschäft zu tun haben, muss verboten werden. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer beziehungsweise ein Verbot des Handels mit Energiederivaten würde Spekulation eindämmen.

Die aktuelle Krise zeigt für Attac jedoch, dass ein Ende der Liberalisierung und eine starke öffentliche und demokratische Kontrolle über die Energieproduktion und -verteilung nötig ist. Anstelle des profitorientierten Marktes sollte mittelfristig ein kooperativer europäischer Energieraum treten. Strom und Gas sollen nicht mehr über Börsen gehandelt. Der nötige Ausgleich und der Handel von Energie sollte über öffentlich kontrollierte Stellen ablaufen und damit die nötigen Sicherheiten garantieren.

Für eine sozialökologische Transformation unseres Energiesystems hat Attac das Konzept der Energiedemokratie (Positionspapier 2018 als pdf) entwickelt. Private und öffentliche Energieversorger sollten in gemeinnützige Gesellschaftsformen überführt werden, deren Hauptziel die Versorgung der Bevölkerung ist. Wichtig ist dabei auch die Förderung von dezentralen, erneuerbaren EnergieproduzentInnen wie BürgerInnenkraftwerke, kommunalen Energiegenossenschaften und Stadtwerken. Analog zum Wohnungsgemeinnützigkeits-Gesetz sollten deren Gewinne und Verwendungszweck gesetzlich beschränkt werden.

Hintergrund: Die negativen Folgen der Liberalisierung

Die aktuelle Krise zeigt, dass liberalisierte Energiemärkte weder leistbare noch sichere Versorgung leisten. Zugenommen hat hingegen die Marktmacht der großen fünf europäischen Energiekonzerne (RWE, Engie, EDF, Uniper, Enel).

Das meistgenannte Argument für die Liberalisierung sind niedrigere Preise. Doch Vergleiche mit einem fiktiven Szenario der Nicht-Liberalisierung sind auch laut Studien methodisch schwierig und umstritten. Es gibt zahlreiche Entwicklungen, die in den letzten beiden Jahrzehnten die Energiepreise gedrückt haben, wie die Rezession nach der Finanzkrise 2008 oder das Gas-Überangebot durch den Fracking-Boom in den USA. Zunehmend waren die Jahrzehnte zuvor öffentlich errichtete Energie-Infrastrukturen zum Großteil abbezahlt. Fest steht jedenfalls, dass die Energiearmut in Europa stark angestiegen ist, da die großen privaten Energiekonzerne keine gemeinnützigen Ziele verfolgen und es dadurch zu Abstrichen in der Versorgung von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen kommt.

Die Marktmechanismen können den ökologischen Umbau des Energiesystems nicht sicherstellen. Die großen Energiekonzerne haben beim Ausbau erneuerbarer Energien völlig versagt und können über internationale Schiedsgerichtsklagen sogar die Energiewende verteuern. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde vor allem durch Initiativen der Zivilgesellschaft vorangetrieben. Das war jedoch nur möglich, weil sie durch öffentliche Subventionen vor Marktliberalisierung und dem Binnenmarkt geschützt wurden. Dennoch besteht EU-weit immer noch ein enormes Defizit an dezentraler, erneuerbare Energieproduktion und Investitionen im Bereich der Mittel- und Niederspannung, während transeuropäische Hochleistungsnetze für den Handel zwischen fossilen Großerzeugern massiv ausgebaut wurden.

Siehe auch: #aufstehen fordert: Krisengewinne besteuern!

 


 

WIFO gegen Besteuerung

Gegen die Besteuerung von "Zufallsgewinnen", eine euphemistische Bezeichnung für Krisengewinne oder Übergewinne infolge von Krisen, tritt das staatlich finanzierte WIFO (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) auf.

Die Begründung: "Häufig sind krisenhafte Ereignisse für bestimmte Sektoren mit Zufallsgewinnen verbunden. In der aktuellen Energiekrise verzeichnen insbesondere manche Stromerzeuger im Vergleich zur Vorkrisenzeit zusätzliche Gewinne. Aktuell wird über die Einführung einer Zufallsgewinnsteuer diskutiert, um die betroffenen Unternehmen oder Sektoren an der Finanzierung der Krisenkosten zu beteiligen. Sieben EU-Länder haben bereits eine Zufallsgewinnsteuer implementiert oder planen deren Einführung. In Österreich rechtfertigt der vergleichsweise geringe Anteil, der von Zufallsgewinnen an österreichischen Energieversorgungsunternehmen den privaten Investorinnen und Investoren verbleibt, die Einführung einer Zufallsgewinnsteuer nicht. Zudem bleibt aus standortpolitischer Sicht eine ad hoc eingeführte Zufallsgewinnsteuer problematisch. Eine Stromkostenbremse mit einer Preisobergrenze für ein definiertes Grundkontingent des Stromverbrauchs scheint daher die klügere Maßnahme zu sein, vorausgesetzt, dass die Energieversorgungsunternehmen bloß die aktuellen Beschaffungs- oder Produktionskosten (mit kalkulatorischem Gewinnaufschlag) ersetzt bekommen."

Die "konzeptionellen Überlegungen" von Michael Böheim, Michael Peneder und Margit Schratzenstaller sind als pdf downloadbar..

Kurzfassung auf ORF.at