Hans Rauscher: Autokratie versus Demokratie

6. Mai 2022 - Wenn einer der ältesten Rauscher im österreichischen Medienwalde, der 1992 den "Österreichischen Staatspreis für publizistische Leistungen im Interesse der Geistigen Landesverteidigung" bekommen hat, und der seit 2005 in Vergessenheit geraten ist (der Staatspreis, nicht Hans Rauscher), wenn dieser Journalist die "Der Standard"-Leser über "Autokratie vs Demokratie" aufklärt, dann reicht seine Weisheit nicht aus, da brauchts's auch noch eine Brise Ironie. Das Ergebnis: nicht berauschend.

Der Titel seiner Abhandlung, die mit Sicherheit nicht zur Geistigen Landesverteidigung geeignet ist: "Wie werde ich zum Autokraten in sieben Schritten", die da sind:

"Schritt 1: Seien Sie nicht 'Establishment', sondern ein 'neuer Mann'!

Schritt 2: Nutzen Sie Ressentiments! Spalten Sie die Gesellschaft: in das 'wahre Volk' – und die anderen.

Schritt 3: Kommen Sie mit Demokratie an die Macht – und zerstören Sie diese dann!

derStandard Rauscher

Schritt 4: Sichern Sie sich die Macht mit Spin! Schaffen Sie 'Volksfeinde', führen Sie einen Kulturkampf. Erzeugen Sie politische Lethargie durch Desinformation.

Schritt 5: Errichten Sie eine Kleptokratie, aber stellen Sie das Volk mit Sozialleistungen ruhig!

Schritt 6: Werden Sie vom Autokraten zum Tyrannen!

Schritt 7: Lassen Sie sich nicht auf riskante Kriege ein!"

Als Beispiele lebender Autokraten dienen die üblichen Verdächtigen: "Putin, Erdoğan, Orbán, Kaczyński, Bolsonaro, Modi, allesamt autoritäre Typen, wurden in halbwegs demokratischen Systemen gewählt – und werden es heute noch." Österreich bzw die Österreicher kommen in diesem Artikel nur in zwei Nebensätzen vor, Österreichs Autokraten überhaupt nicht.

Es ist absolut notwendig, Entwicklungen aufzuzeigen, die zur Autokratie oder gar zu einer Diktatur führen, doch aus dem Elaborat von H.R. spricht die Selbstgefälligkeit eines hochdekorierten Journalisten (er war auch Chefredakteur des "Kurier"), der den Mächtigen dieses Landes immer näher war, als es einem Journalisten gut tut. Über Franz Vranzitky, Franz Fischler und Waltraud Klasnic hat er Biografien geschrieben. Diese mangelnde Distanz zu den Herrschaften ist schlimmer als Hofberichterstattung, die sich plump an die regierenden Mächte anbiedert. Rauschers selektive Wahrnehmung ist schlicht und ergreifend ein Mittel der übelsten Polit-Propaganda, in deren Wahrnehmung (die für Wahrheit gehalten wird) die Polit-Clique auf der "Insel der Seligen" kurz vor der Heiligsprechung steht.

Ein paar Perlen, ad Schritt 2: "Praktisch alle der genannten Autokraten waren/sind Nationalpopulisten. Sie nutzen das tatsächliche oder vermeintliche Versagen der traditionellen Parteien – Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale. Sie sprechen die 'Abgehängten' an und machen Fremde zu Feindbildern." Die "Abgehängten" gibt es in der Wahrnehmung des Herrn Rauscher nur angeblich, deshalb setzt er sie unter Anführungszeichen im Sinne von "so genannte Abgehängte",  in Wirklichkeit gibt es sie nicht, wie z.B. in Österreich, wo rund eine Million Menschen am oder unter dem Existenzminimum leben. Österreich ist ja ein Sozialstaat - das muss reichen!

ad Schritt 3: "Nach dem ersten Wahlerfolg gingen ausnahmslos alle daran, eine autoritäre Herrschaft zu festigen, indem sie die demokratischen Institutionen wie faire Wahlen, Gewaltenteilung, unabhängige Justiz, freie Medien schrittweise abbauten. Manche der darauffolgenden Wahlen, wie etwa jetzt in Ungarn, waren zwar noch halbwegs frei, aber keineswegs mehr fair." Beispiele gefällig? Orban, Putin, Kaciynski, Orban, Putin, Orban, Trump. What else? Wie wärs mit Van der Bellen (VdB)?

Der hatte im ersten Wahlgang 2016 exakt 21,34% der Stimmen, während Hofer mit 35,05 Prozent an der Spitze lag. Beim zweiten Durchgang, der (Wahlmanipulation in Österreich ausgeschlossen!!) wiederholt werden musste, kam er zunächst knapp über 50 Prozent (50,35 : 49,65). Die Wahlbeteiligung lag im zweiten Wahlgang bei 72,75 % (ohne Briefwahlstimmen aus den Wahlkarten: 60,75 %) und war damit gegenüber dem ersten Wahlgang mit 68,50 % um 4,25 Prozentpunkte höher.

Bei der Wiederholung der Stichwahl mit neuem Stichtag, sodass viele Jugendliche erstmals wahlberechtigt waren, erhielt VdB schließlich 53,79% und Hofer 46,21%. Naturgemäß ist das zweite Ergebnis als endgültig und rechtmäßig anzuerkennen, doch das politische Ergebnis sieht anders aus: Österreich hat seit Jänner 2017 einen Präsidenten, FÜR den 21,34% gestimmt haben, und einen Nicht-Präsidenten, FÜR den sich zuletzt 46,21% der Wähler klar deklariert haben, während 32,45 offenbar GEGEN Hofer waren, die allerdings (was für ein Wahlrecht!) mangels Alternative VdB nehmen mussten. Grünäugig ist das Gegenargument, "sie hätten ja auch ungültig wählen können", angesichts der konzertierten Pro-VdB-Propaganda von SPÖVP, Grüne sowieso, und nicht zuletzt von der Kandidatin Irmgard Griss, die im 1. Durchgang immerhin 18,94% erreichen konnte. So hat Österreich seit 2016 einen Bundespräsidenten, der sich als "Unabhängiger" getarnt hat. Diese schwache Tarnung hat sich schon nach kurzer Zeit als Lüge entlarvt. (Quelle: wikipedia)

"Zwar noch halbwegs frei, aber keineswegs mehr fair" war nicht nur die Wahl von VdB, sondern sind alle Wahlen auf Bundesebene. Im Nationalrat liegt die Barriere bei 5 Prozent der Stimmen für den Einzug ins Parlament. Kleinparteien haben keinen Anspruch auf öffentliche Mittel, während die etablierten Parteien Millionenbeträge an Parteienförderungen absahnen und so seit Jahrzehnten ihre Privilegien einzementieren. Für parteiunabhängige Kandidaten gibt es ohne die Gnade einer Partei überhaupt keinen Weg ins Parlament. Dass Fairness auch bei der Bundespräsidentschaftswahl prinzipiell nicht möglich ist, dafür sorgt ein eigenes Bundespräsidentenwahlgesetz (BPraesWG).

ad Schritt 5: "Alle Autokratien sind auch Kleptokratien (Herrschaft der Diebe, Anm.)", so Rauscher. Das neueste Beispiel aus Österreich ist dem politischen Beobachter H.R. entgangen: Zuletzt wurde bekannt, dass für 14 (in Worten: vierzehn!) unbeholfene, mitleiderregende Online-Übertragungen von Parlamentsdiskussionen 40.000 Euro bezahlt wurden. Pro Sendung! In Summe also 560.000 Euro! "Heute" berichtete darüber am 22.4.22 - der Aufsatz von H.R. ist am 6.5.22 erschienen. Vermutlich hält er solche Beträge nicht für Diebstahl am Steuerzahler, sondern für Hilflosenzuschüsse an Parteifreunde - demokratisch und mehrheitlich von den Parlamentsparteien bewilligt.

Zusammengefasst: Wenn ein erfahrener Journalist, der gleich alt ist wie VdB, in seinem Artikel alle bekannten Anklagen gegen die Autokraten auflistet und gleichzeitig alle autokratischen Entwicklungen in Österreich übersieht bzw systematisch ausblendet, so ist er nicht nur auf einem Auge blind, sondern auf beiden, und außerdem total taub. Normale Menschen hören die Ungerechtigkeiten (Unfairness!) in unserem Lande, die zum Himmel schreien! Und manche Menschen stehen dagegen auf - "Gegen eine Bedrohung, die sie sich herbeifantasieren", wie Rauscher zu wissen meint. Wie blind er tatsächlich ist, beweist seine Generaldiffamierung von Österreichs Corona-Kritikern als "Anti-Impf-Freiheitsschwurbler". Der Nazi-Vergleich geht in seinem Kommentar "Täter-Opfer-Umkehr bei Corona-Leugnern" vom 26.9.2021 natürlich ungestraft durch! Wir leben ja in einem ordentlichen Rechtsstaat, wo man Corona-Kritiker als "Leugner" verleumden und mit "Nazis" vergleichen darf, für die alles gilt, was über die Nazis bekannt ist, "wenn auch in unendlich kleinerer Dimension". Gleiches Recht gilt jedoch nicht für Corona-Kritiker, wie der Fall Jaroslav Belsky beweist.