Offener Brief an den Bundespräsidenten

Offener Brief von Manfred Maierbrugger an den Bundespräsidenten der Republik Österreich

16. November 2025

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

es gehört zum Wesen unserer Republik, dass die demokratische Verantwortung auf vielen Schultern ruht. Doch es gibt Momente in der Geschichte eines Landes, in denen die Bürde der Entscheidung auf nur eine Person fällt – auf das Staatsoberhaupt, dem die Verfassung die Aufgabe gegeben hat, Stabilität zu sichern, wenn politische Führung versagt. Österreich steht an einem solchen Punkt.

offener Brief

Immer deutlicher zeigt sich ein Bild, das viele Bürger – quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche – in wachsender Sorge vereint: Die aktuelle Bundesregierung ist in ihrer strategischen, fachlichen und organisatorischen Führungsfähigkeit überfordert. Dies ist kein Vorwurf, sondern eine Beschreibung der Realität, die sich aus hunderten kleinen Indizien zusammensetzt:

• mangelnde wirtschaftspolitische Steuerung

• unklare Prioritäten

• widersprüchliche Entscheidungen

• Stagnation in zentralen Reformbereichen

• ein wachsendes Vertrauensdefizit innerhalb der Bevölkerung

• und ein sichtbarer Verlust an internationaler Orientierungskraft

Österreich wirkt nach außen stabil, doch im Inneren regiert Unsicherheit. Nicht weil äußere Feinde uns bedrohen – sondern weil politische Führung ihren Auftrag nicht mehr ausreichend erfüllt.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Sie sind der Hüter der Verfassung. Aber dieser Titel ist nicht symbolisch, sondern verpflichtend. Die Bundesverfassung hat das Amt des Bundespräsidenten bewusst so ausgestaltet, dass es im Ernstfall handeln kann:

• Sie können eine Regierung entlassen.

• Sie können Minister abberufen.

• Sie können Neuwahlen ermöglichen.

• Sie können Stabilität herstellen, wenn die Regierung selbst kein Stabilitätsfaktor mehr ist.

Diese Kompetenzen sind kein politisches Dekor. Sie sind der Sicherheitsmechanismus der Republik.

Ich wende mich an Sie, weil viele Menschen in diesem Land nicht mehr glauben, dass die derzeitige Bundesregierung Österreich sicher durch die kommenden Jahre führen kann. Nicht aufgrund politischer Weltanschauungen, sondern aufgrund des sichtbaren Mangels an Kompetenz, strategischer Planung und Führungsfähigkeit. Wirtschaftliche Risiken steigen, gesellschaftliche Spannungen nehmen zu, internationale Unsicherheiten wachsen – und Österreich scheint innenpolitisch im Blindflug gefangen. Die Frage, die sich stellt, ist daher nicht mehr theoretisch:

Wann wird der Punkt erreicht sein, an dem Eingreifen nicht mehr eine Option, sondern eine Pflicht wird?

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Sie haben in Ihrer Amtszeit oft betont, dass Zusammenhalt, Verantwortung und Stabilität die Grundpfeiler unserer Demokratie sind. 

Doch Zusammenhalt entsteht nicht, wenn eine überforderte Regierung das Vertrauen der Bevölkerung verliert.

Verantwortung entsteht nicht, wenn politische Fehler aus Angst vor einem Eingriff hingenommen werden.

Und Stabilität entsteht nicht, wenn ein Land ohne klaren Kurs durch Krisen treibt.

Es ist legitim, wenn ein Staatsoberhaupt abwartet. Aber es ist gefährlich, wenn Abwarten zur Untätigkeit wird – während sich die Lage verschärft. Ich ersuche Sie daher mit allem Respekt, aber mit großer Deutlichkeit: Prüfen Sie, ob die Bundesregierung noch in der Lage ist, ihren Auftrag zu erfüllen. Und handeln Sie – im Rahmen Ihrer verfassungsmäßigen Befugnisse –, wenn diese Fähigkeit nicht mehr gegeben ist.

Denn es geht nicht um Parteien.

Nicht um Ideologien.

Nicht um politische Machtspiele.

Es geht um Österreich.

Es geht um die Zukunft dieses Landes.

Es geht um die Frage, ob wir rechtzeitig korrigieren – oder erst dann, wenn der Schaden längst eingetreten ist.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, die Republik vertraut darauf, dass Sie im entscheidenden Moment nicht nur die Rolle, sondern auch die Verantwortung Ihres Amtes wahrnehmen. 

Mit Respekt, aber mit der Klarheit eines Bürgers, dem dieses Land am Herzen liegt.

Manfred Maierbrugger