Geboren 8. November 1935, gestorben 15. Dezember 2025
LIEBLINGS-SPRÜCHE der Verstorbenen
+ Man kann dem Leben nicht mehr Tage geben, aber dem Tag mehr Leben.
+ Ein Vor-Urteil ist ein Urteil, das nicht durch ein Gericht, sondern durch ein Gerücht hervorgerufen wird.
+ Wenn du eine hilfreiche Hand brauchst, suche sie am Ende deines eigenen Armes.
+ Um zu sehen, musst du die Augen offen halten. Um zu erkennen, musst du sie schließen und denken.
+ Ihr letzter Wunsch: Ich wollte nur Frieden hinterlassen.

REQUIEM am 22. Dezember 2025 mit LESUNG
aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther
Ich zeige euch jetzt noch einen anderen Weg, einen, der alles übersteigt:
Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich nichts.
Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht,
nützte es mir nichts.
Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf.
Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil,
lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach.
Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.
Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei:
doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
1 Korinther 12, 31b / 13
NACHRUF
1
Liebe Trauergäste, danke für eure Anteilnahme!
Wir erinnern uns heute an unsere Mami, wie sie alle nannten. Sogar unser Tati, ihr Ehemann, der vor wenigen Wochen seinen 95. Geburtstag gefeiert hat.
Einen Monat vor Mamis letzten Geburtstag am 8. November, war sie schon so schlecht beisammen, dass wir nicht daran glaubten, sie werde ihren 90er noch erleben. Erst am 15. Dezember wurde sie erlöst. Der Weg dahin war alles andere als leicht.
Das lag auch daran, dass sie mit Gott und Kirche gehadert hat. Warum lässt Gott alles Übel dieser Welt zu? Warum lässt er mich selbst so lange leiden? - hat sie oft gefragt.
Für die Probleme dieser Welt gibt es Lösungen, solange es technische Probleme sind.
Für die Leiden jedes Menschen gibt es Lösungen, solange diese das Revier der Medizin betreffen.
Aber irgendwann kommt der Punkt – für jeden von uns – an dem es keine Lösung mehr gibt; sondern nur noch Erlösung.
Wir sind der Kirche dankbar, insbesondere unserem Herrn Pfarrer, dass er in dieser Phase für Mami da war, und dass wir heute in unserer Kirche den Abschied von unserer Mutter feiern dürfen.
2
Mami, Hermine Doppelhofer, ist 1935 am Mitterberg geboren, und hatte dann das Glück, dass sie zehn Jahre als Ziehtochter in Aflenz aufwachsen durfte. Die Kriegsjahre hat sie somit wohlbehütet überlebt. Die Rückkehr in ihre eigene Familie nach 1945 war dagegen ein Schock.
Ihre Ziehmutter war streng und gerecht.
Ihre eigene Mutter war streng und katholisch.
Die Pflichten einer Katholikin waren ihr wichtiger, als die Pflichten einer Mutter. Zuneigung, Fürsorge, Liebe erlebte Hermi am Mitterberg nicht.
In der Hauptschule hat sie gut gelernt. Heute würde man sagen: nachhaltig: Noch Mitte dieses Jahres hat sie den Zauberlehrling vollständig und auswendig rezitiert!
Ihr Traumberuf wäre Handarbeitslehrerin gewesen. Den Wunsch, eine Lehre zu beginnen, hat ihre eigene Mutter abgelehnt, mit den einprägsamen Worten: Learn zerscht amoi fiugn dahoam! (Kann man nicht übersetzen!) Ein Jahr später konnte Hans seiner jüngeren Schwester Hermi eine Lehrstelle als Schneiderin verschaffen.
Bei einer Tanzveranstaltung, wie sie früher auf dem Dorf üblich waren, hat sie Ernst (unseren Tati) kennengelernt und einen Tag vor Mamis 20. Geburtstag kam Ernst junior zur Welt! Es folgten 1958, 59, 60 drei Töchter, 1963 und 72 zwei Söhne. So hat sie sich rund 30 Jahre um ihre eigenen Kinder gekümmert, buchstäblich mit Leib und Seele, bis der Jüngste auf die HTL nach Wien gegangen ist.
3
Kinder, nicht nur ihre leiblichen, waren Mamis ganzer Lebensinhalt. Das Generalmotiv der Nachkriegsgeneration - meinen Kindern soll es besser gehen - konnte sie in ihrer eigenen Familie verwirklichen.
Weniger mit materiellen Mitteln,
als mit Idealen, die sie uns vermittelt hat.
Ihr Credo: Bildung ist das wichtigste im Leben! Denn eure Bildung kann euch niemand wegnehmen! Wir, ihre Kinder haben uns das zu Herzen genommen, sodass wir heute wissen, was folgendes Zitat bedeutet, und von wem es ist:
„Da steh ich nur ich armer Tor
und bin so klug als wie zuvor.“
Der zweite Teil ihres Credos ist aber genauso wichtig: Ihr müsst selbst entscheiden, was ihr lernen wollt - ich kann euch dabei nicht helfen.
4
Goethe hätte darüber gedichtet: „Sechs Kinder verließen das elterliche Haus, getrieben von dem stillen Verlangen, in den Lehr- und Wanderjahren das weite Antlitz der Welt zu schauen. Schwer war dies der Mutter, deren Herz im Zurück-bleiben lernte zu entsagen; doch hatte sie selbst ihnen früh die Erkenntnis eingepflanzt, dass Bildung das edelste Gut des Menschen sei. So zogen sie denn hinaus, getragen von der tröstlichen Gewissheit, dass die Schwelle des väterlichen Hauses ihnen stets offenstehen werde."
Das ist tatsächlich von Goethe, genauer gesagt, vom KI-Goethe.
KI wie Künstliche Intelligenz! Chat G P T-Goethe genauer gesagt.
[ERGÄNZUNG: Die poetische Fassung von Copilot-Goethe:
Sechs Kinder sind entsendet in die weite Welt,
Zu sammeln Weisheit, Lust und ernste Lehr.
Die Sonne leuchtet ihnen mild auf Wald und Feld,
Und lehrt sie manches Bild, das das Herz begehr.
Der Fluss, er murmelt sanft sein altes Lied,
Die Bäume neigen sich im freundlichen Wind;
Und jedes Herz, das eifrig strebend zieht,
Fängt heimlich an, die Wunder zu begründ’.
So wandeln sie durch Tag und Abendglut,
Von seiner Jugend reich, wie goldner Fluss;
Und tragen, was die Seele labt und tut,
Hin unserm Heim, voll Lieb’ und stiller Lust.]
[Quelle eigener Text: So sind ihre sechs Kinder ausgezogen, um in ihren Lehr und Wanderjahren die Welt zu entdecken und mit besserem Wissen nach hause zu kommen. Darunter litt ihre Mutter, aber sie hatte die Kinder gelehrt, dass Bildung das höchste Gut sei. So zogen sie los, mit dem sicheren Gefühl, dass die Türen im Haus ihrer Eltern immer offen bleiben werden.]
5
Lebenslanges Lernen ist bis heute ein Bildungsideal. Unsere Mami hat das bis zuletzt praktiziert. Erst vor zehn Jahren hat sie ein I-Pad bekommen und das Internet erobert. So konnte sie auch mit Verwandten aus England Kontakt aufnehmen und halten.
Ich verrate noch ein Geheimnis – nicht dem Pfarrer weitersagen!
Sie hat sogar gezockt im Internet und gut 100 Mal online das Millionen-Spiel gewonnen. So hat sie uns ein Vermögen hinterlassen! Wir haben aber noch keine Bank gefunden, die 100 Millionen Punkte in Euro eintauscht …
Und noch eine Seite von Mami, die wenige kennen: Sie hat sieben Bücher geschrieben: „Eckstein. 200-mal um die Ecke gedacht!" Beispiel gefällig? Frage: Die Müllerin von nebenan. Antwort: Lieschen. Was sonst? Wäre jeden von uns auch eingefallen, oder? Sieben solche Rätsel-Bücher hat unsere Mami vollgeschrieben, und das sagt viel über ihre Phantasie und ihren Humor aus: Sprachspiele und paradoxe Formulierungen haben sie immer erheitert.
6
Am 31. Oktober – Mami war schon zwei Monate im Bett - habe ich sie gefragt: Was sagt der Philosoph zum Weltspartag? Sie hat nicht reagiert, ich fragte nochmals, und nochmals. „Ja sags doch endlich“, schaute sie mich plötzlich mit leuchtenden Augen an. Die Antwort: Mir ist in meinem Leben nichts erspart geblieben! So durften wir Mami nochmals lachend sehen.
Das war einer von vielen kleinen Lichtpunkten in den letzten drei Monaten ihres Lebens, die sie bis zur letzten Minute zuhause verbringen konnte. Wir haben ihr und unserem Vater dieses Versprechen gegeben. Ein Versprechen kann man leicht mal abgeben, aber es ist nicht leicht, es einzuhalten.
7
An der Stelle möchte ich hervorheben, dass dies nur möglich war, weil eine Psycho-Therapeutin unserer Familie immer, aber insbesondere die letzten drei Monate für Mami da war. Und es war nur möglich, weil eine Krankenschwester unserer Familie immer, aber insbesondere die letzten zwei Wochen, zwei Tage und zwei Stunden bei ihr war!
8
Aus unserer gemeinsamen Liebe zum Paradoxon möchte ich schließen:
Weil unsere Mami so ein gutes Herz hatte,
deshalb musste sie so lange leiden.
NACHSATZ
Das Haus, das unsere Eltern 1968-72 gemeinsam gebaut haben, ist für heutige Verhältnisse bescheiden. Trotzdem oder gerade deshalb wollen wir zum Abschied alle, wirklich alle Trauergäste einladen, dort, wo unserer Eltern ihren Kindern ein echtes Zuhause geschenkt haben, den Tag ausklingen zu lassen.
Wir haben hier 50 Sitzplätze vorbereitet und dazu noch viele Stehplätze. Stellt euch darauf ein, dass es so eng wird wie auf dem Wiener Christkindlmarkt. Aber sicher nicht so gefährlich…hoffe ich zumindest.
Amen.
